Rezensionen
Eine Frage der Chemie (Lessons in Chemistry) von Bonnie Garmus
Dieses Buch zählt definitiv zu meinen diesjährigen Lese-Highlights- frech, wichtig, witzig, und eine gute Geschichte, gut erzählt.
Worum gehts? Elizabeth Zott wird eingeführt als alleinerziehende Mutter Anfang der 60er-Jahre, wir sind in Kalifonien. Täglich kommt in die Vesperbox ihrer Tochter (etwa 5 Jahre alt) ein Spruch, wie „mach mit beim Sport, aber lass bloß nicht automatisch die Jungs gewinnen“- je länger man liest umso mehr Sinn machen diese Tipps.
Wir springen 9 Jahre zurück und befinden uns in einem biochemischen Institut in dem die junge Elizabeth arbeitet- weit unter ihren Möglichkeiten denn als Frau ist sie hauptsächlich für‘s Kaffekochen und andere niedere Dienste geeignet, keinesfalls um wissenschaftliche Studien voranzutreiben. Leider hat sie auch keinen richtigen akademischen Abschluß- was daran liegt dass ihr Tutor an der Universität meinte Sie sei wie all die anderen Freiwild und es zu einer üblen Szene hinter verschlossenen Türen kommt. Elizabeth ist wehrhaft, und so verläßt sie die Uni- Glauben schenkt ihr in der damals noch absolut männerdominierten Welt der Naturwissenschaften eh niemand.
Sie lernt den genialen Forscher Calvin Evans kennen, er arbeitet am selben Institut- und obwohl sie nie eine Beziehung wollte werden die beiden ein Paar. (Die, wenn beim Frühstück, sich keinesfalls simples Kochsalz sondern Natriumchlorid reichen). Irgendwann läuft ihnen ein Hund zu, den sie (in der englischen Ausgabe) Six-Thirty nennen, es ist die Uhrzeit zu der er zu ihnen fand. Der Hund passt – er ist intelligent und lernt jedemenge Worte, mindestens dreimal soviel wie einen Hund allgemein zugetraut wird. Und leider spielt er eine traurige Rolle in dem Drama, das zu der Rolle als Alleinerziehende führt.
Elizabeth landet schließlich durch Zufälle in einer Fernseh-Show, wo sie kocht und dabei den Zuschauerinnen die Grundlagen der Chemie näherbringt – Kochen hat ja tatsächlich viel mit Chemie zu tun und wer sich damit auskennt tut sich oftmals leichter. Die Show ist super-erfolgreich, Problem ist nur der Programmchef, der halt auch ein Mann ist und es nicht ertragen kann dass eine Frau ihren Kopf durchsetzt gegen seinen Willen und damit auch noch Erfolg hat.
Der Schluß gleitet dann etwas in‘s Rührselige ab, was der ganzen Geschichte in meinen Augen keinen Abbruch tut.
Mein Fazit- mal wieder ein Buch das ein schweres Thema leicht erzählt, mich hat es ein wenig in‘s Grübeln gebracht ob die Methoden der Männer in der Wissenschafts- und Arbeitswelt hier in Deutschland auch so brutal waren, so selbstverständlich brutal? Jedenfalls, grade für Frauen wie ich eine bin- Naturwissenschaftlerin, selbständig und lange Jahre alleinverantwortlich für den Familenunterhalt, ein Buch das mir gefehlt hat, ich wußte es nur nicht bevor ich es gelesen hatte.

Kaiserstuhl von Brigitte Glaser
Die Romane von Brigitte Glaser mag ich sehr, Zeitgeschichte die ich teils selber miterlebt habe, in spannende Geschichten verpackt.
In diesem Buch geht es um die deutsch-französische Freundschaft, ausgehend von der Unterzeichnung eines ersten Vertrages zwischen de Gaulle und Adenauer im Jahre 1962. Handelnde Personen sind Henny, eine Freiburger Weinhändlerin, Kätter, ihre Schwiegermutter und Winzerin im Kaiserstuhl, Kaspar, der Sohn rsp Enkel der beiden, Paul, der aus Straßburg kommt und sein Leben dem Kino oder eher den Filmen die dort gezeigt werden gewidmet hat.
Viel Zündstoff, nirgends sind sich Frankreich und Deutschland näher als in Südbaden und dem Elsaß, nirgends gibt es mehr familiäre Verbindungen zwischen den beiden Ländern und damit intensive Gefühle zwischen Hass und Liebe.
Aufhänger ist die Jagd nach einer bestimmten Flasche eines bestimmten Jahrgangs-Champagners, der während der Besatzungszeit in Frankreich nach Deutschland zur besonderen Verwendung nach Berchtesgaden geschafft wurde. Die Flasche kommt ganz schön rum, und was den Menschen die mit ihr zu tun haben zustößt gibt eine packende Geschichte, bei der es mir schwerfiel sie aus der Hand zu legen. Dass als Kriegsbeute im zweiten Weltkrieg auch systematisch kostbare Weine und Champagner aus Frankreich nach Deutschland geschafft wurden- ich war mir dessen nicht bewußt.
Sehr gut recherchiert, stellt dieses Buch ein echtes Lese-Vergnügen dar, am besten gönnt ihr euch das eine oder andere Gläschen Champagner dazu.
Der Markisenmann von Jan Weiler
Herr Weiler gehört mit seinem Kommissar Kühn schon länger zu meinen favorisierten Autoren, jetzt hat er mit dem Markisenmann einen wunderbaren Roman ganz anderer Couleur hingezaubert.
Wir befinden uns in der Welt von Kim, einer Teenagerin, ziemlich luxuriös aufwachsend in einer für sie dysfunktionalen Familie, bestehend aus ihrer Mutter, Stiefvater Heiko und 6 Jahre jüngerem Halbbruder Geoffrey.
Aufgrund eines dramatischen Vorfalls für den sie verantwortlich war, wird sie vom Familienurlaub (Florida!) ausgeschlossen und muß stattdessen die Sommerferien bei ihrem leiblichen Vater verbringen- an den sie keinerlei Erinnerung hat, schließlich ist er aus ihrem Leben verschwunden, da war sie gerade mal zwei Jahre alt geworden.
Er holt sie am Bahnhof ab, und es erscheint ihr ganz wundersam wie sehr sie sich äußerlich ähnlich sehen. Das Leben mit ihm unterscheidet sich ganz gewaltig von ihrem materiell verwöhnten Dasein- kein Internet, kein Computer, das Zimmer in dem sie schläft muß sie sich mit Werkstatt-Utensilien teilen und ein Fenster gibt es dort auch nicht. Ihr Vater wohnt nämlich in einer Lagerhalle in der Markisen aus DDR-Altbeständen lagern, und verbringt seine Tage damit diese Markisen zu verkaufen. Oder eben nicht, also verkaufen.
Nach ein paar Tagen die sie mit Erkunden der Gegend verbringt begleitet sie ihn auf seinen Verkaufstouren und kann es nicht fassen wie ungeschickt und zögerlich er sich verhält, sie kann nicht anders als ihm versuchen zu helfen. Beispielsweise indem sie behauptet ganz dringend zur Toilette zu müssen, um sich und ihrem Vater somit Zugang zur Wohnung eines potentiellen Käufers zu verschaffen- was der erste Schritt zum Verkaufserfolg ist.
Mit der Zeit entwickeln die beiden mit Vergnügen ein paar Szenarien die sie an den Türen vorspielen, und tatsächlich nehmen die Verkaufserfolge zu.
Nebenbei eröffnet Kim mit einen etwa gleichaltrigen Jungen eine Strandbar (die Geschichte spielt im Ruhrgebiet), und sie lernt die wenigen Freunde die ihr Vater in der Gegend hat kennen.
Zu viel will ich nicht verraten was passiert- die Entwicklung die Kim nimmt ist spannend zu lesen, sie erzählt die Geschichte dieser Ferien aus der Perspektive ihres erwachsenen Ichs. Die Erzählweise von Herrn Weiler macht unglaublich viel Freude- da lungern die ganzen kaputten Typen rum und dann taucht so ein Wort auf wie „imaginisierte“. Ganz fein wie er die sehr turbulenten Stimmungen der Teenagerin beschreibt:
„Sachen waren ihm wertvoll, also machte er nichts mit Absicht kaputt. Manchmal nahm das beinahe groteske Züge an. Papen wäre zum Beispiel nie auf die Idee gekommen, eine Brötchentüte aufzublasen, draufzuhauen und sie anschließend zusammenzuknüllen. Er faltete sie, strich sie glatt und legte sie auf das Altpapier. Diese seltsam zärtliche Geste des Glattstreichens charakterisiert ihn mehr, als es jeder seiner Sätze könnte, von denen er eh nicht mehr als nötig sprach“.
Unbedingte Lese-Empfehlung von mir.
Oh, ja, den Zusammenhang zwischen Chemie und Kochen sollte Frau nicht unterschätzen. Wenn ich die Bretonischen Nächte ausgelesen habe,werde ich die Lessons in Chemistry in Angriff nehmen. Danke für den Tipp
Bin gespannt, mir haben die Lessons ausgezeichnet gefallen
Danke für das frische Lesefutter, ich habe eben gerade alle 3 gekauft ;-)
Sabine du bist die Beste 😘